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Dienstag, 23. Mai 2006
Gemeinde ohne Mauern

von Richard Schutty

1. Wenn Menschen Gemeinde bauen

Gemeindebau und was damit zusammenhängt ist zur Zeit ein hochaktuelles Thema unter Christen. Es geht um neue Formen der Gemeinschaft, um attraktive Gottesdienste für Unerreichte, um zeitgmäße Veranstaltungen und Programme und für manche geht es gar um die glorreiche Erscheinung der neuen Gemeinde in einer postmodernen Gesellschaft (emerging Church). Dabei sagt die Bibel, „Es gibt nichts neues unter der Sonne“. Bewegungen dieser und anderer Art gab es schon viele in den vergangenen Jahhunderten.
Als die Heilsarmee zum Beispiel auf dem Höhepunkt ihrer Blüte stand, war es eine noch nie dagewesene Gemeindeform, passend für die damalige Zeit. Und doch hatte sie etwas entdeckt, das schon uralt war – es wurde nur neu aufgelegt und in ein neues outfit gesteckt. Wenn die Rede von der Missional Church ist, klingt das interessant und besonders, als ob es etwas ganz Neues wäre. In Wirklichkeit waren die Gemeinden des ersten Jahrhunderts zutiefst missionarisch. Wenn es um beziehungsorientierte Gemeindeformen geht, wissen wir auch, dass die frühen Gemeinden ganz stark auf enge Beziehungen ausgerichtet waren. Was immer es auch ist, was in den neuen Bewegungen als eine neue Sache angepriesen wird, sie war schon einmal da und ist eine Neuauflage der alten im neuem Outfit, passend in unsere Zeit.

In den Sprüchen steht: „Des vielen Bücher machens ist keine Ende.“ Es hat noch nie so viele neue Bücher über Gemeindeentwicklung und neue Gemeindeformen gegeben wie in der heutigen Zeit. Klar die Entwicklung der Medien macht es möglich. In all diesen Büchern steht aber nichts Neues, sondern es ist höchstens, so es auf biblischem Boden ist, ein neues Entdecken verlorengegangener Ausdruckformen von Gemeinde. Schlimm daran ist, dass sich viele Leser mehr an neuen Bewegungen und an neuen Veröffentlichungen orientieren, als an dem Wort Gottes selbst. Würden sie ihre Bibel besser kennnen, wüssten sie, dass das beste Muster von Gemeinde dort zu finden ist. Dort lesen wir, wie die ersten Gemeinden entstanden und wie sie auf eine organische Weise wuchsen. Dort finden wir das Original, so wie Gott es für uns als Muster aufbewahrt hat. Leider ist uns dieser Blick verlorengegangen.
Die Geschichte der Erweckungsbewegungen war auch immer eine Geschichte der Rückbesinnung auf das erste Muster und Modell von Gemeinde im ersten und zweiten Jahrhundert. Wir würden heute gut daran tun, uns mehr an diese originäre Quelle und an den Herrn der Gemeinde selbst zu wenden. Wenn wir ihn befragen und die Bibel genau befragen erhalten wir ein klares Bild. Und wenn wir uns mehr vom Heiligen Geist, als von Verkündigern neuer Wege für Gemeinde leiten ließen, wären wir schon weiter.

Wer soll eigentlich die Gemeinde bauen, wer ist der Bauherr der Gemeinde. Es ist natürlich Gott selbst. Irgendwie wissen wir das alle, und doch verhalten wir uns nicht konsequent danach. In allen biblischen Beispielen über „Gemeindebildung“ sehen wir immer Gott selbst als Urheber, als Planer und Genie, sowohl über die alttestamentliche, als auch über die neutestamentliche Gemeinde.
Doch ist die Versuchung für den Menschen groß, den Bau der Gemeinde selbst in die Hand zu nehmen. Wenn er das tut, setzt sich die übliche Kontrolle und Selbstbestimmung des Menschen durch, die uralte Versuchung. Immer wieder in der Geschichte wollte der Mensch die Kontrolle über sein Leben und über andere nicht aus den Händen geben. Aus dieser Neigung des Menschen heraus entstand die institutionalisierte Kirche. Und zwei Jahrtausende Kirchengeschichte haben gezeigt, das auch die vielen neuen Anfänge und Gemeindegründungsbewegungen immer wieder ihr Ende in einer institutionalisierten Form von Kirche und Gemeinde hatten. Warum? Weil es einfacher ist, sich einem kontollierenden System zu unterwerfen, anstatt von der direkten Leitung durch das Haupt Jesu abhängig zu sein. Ich will jetzt nicht wieder die Liste der vielen Denominationen, Konfessionen und Kirchen aufführen, bei denen es so geschah. Angefangen bei der Katholischen Kirche, bis hin zu neuen freien Gemeinden, weisen sie alle die selbe Krankheit auf : „Menschenbaueritis“. Selbst David im Alten Testament erlag dieser Versuchung, „dem Herrn eine Haus bauen zu wollen“.

Der Prophet Sacharia gibt schon zu diesem Problem in Kapitel 2,5-9 einen klaren prophetischen Hinweis, der auch in unsere Zeit hineinspricht. In seinem dritten Nachtgesicht sieht S. einen Mann, der ausgeht, um Jerusalem zu messen. Es war nicht irgend ein Mann, es war ein junger Mann. Ein eifriger, unreifer und unerfahrener Mann. Ein Mann, der nicht nach dem Plan Gottes fragt, er zeigt einen frommen Aktivismus. Ein Gläubiger, der die Wege und Gedanken Gottes bezuüglich seiner Gemeinde nicht kennt. „Meine Wege sind anders als deine Wege, meine Gedanken sind anders als deine Gedanken“, sagt der Herr zu Jesaja in Kap.58 zu seinem Volk und zu uns, den jungen unerfahrenen Menschen, die ausgehen um Seine Gemeinde zu bauen. Das ist ein hartes Lektion, die wir brauchen, wenn wir uns aufmachen, die „Vermessungen“ für den Bau der Gemeinde zu machen. Es sind eigene Konzepte von Gemeinde, junge und grüne, nicht ausgereifte, die auf dem Reißbrett entstehen, theoretische Formen von Gemeinde, die die Bewährungsprobe in der Praxis noch nicht hatten. Und da gibt es jede Menge davon und immer wieder kommen neue Ideen auf den christlichen Markt. Ich erinnere mich noch, wie ich als junger Mann in der Gemeindearbeit Zeit damit verbrachte, ein großes Schaubild zu entwerfen und Organigramme für die Gemeinde zu machen, wie man es auch in der Welt und im Management macht. Ich suchte nach „einer Methode für Gemeindebau“ und probierte Modelle aus – menschliche Modelle, keine göttlichen. Einige Jahre später, nachdem vieles davon zusammengebrochen war, fand ich mich in einer ganz anderen Situation wieder, als ein Prophet zu mir sprach: „Gott nimmt dir den Plan für Gemeinde, den du in der Hand hast weg - er hat einen anderen Plan.“ Damit konnte ich damals nicht viel anfangen, ich wußte nur, ich muß mich zurückhalten. Das tat ich auch und ich wußte nicht, was kommen würde.

In dem Nachtgesicht kommt ein Engel, er korrigiert den jungen Mann und bringt die Nachricht Gottes: „Eine offene Stadt soll Jerusalem bleiben, wegen der Menge an Menschen und Vieh in ihrer Mitte. Und ich selbst werde ihm ringsherum eine feurige Mauer sein, spricht der Herr, und ich werde zur Herrlichkeit in ihrer Mitte sein.“ (Sach.2,8-9)
Gott will keine Begrenzung, keine enge Struktur, keine menschliche Überlegung, weil durch sie Menschen und das Leben ausgegrenzt werden. Weil dadurch eine Organisation aufgebaut wird und nicht organisches Leben verbreitet wird. In den verschiedenen Denominationen, Konfessionen, Kirchen und Gemeinden werden bestimmte Christen ausgegrenzt. Keine Gemeinde kann allen alles bieten, sondern jede hat ihren eigenen Schwerpunkt und zieht solche Christen an, deren Interesse und Ausrichtung dazu passt. Man achtet darauf, sich genau von den Lehrmeinungen anderer abzugrenzen. Soweit haben wir das in der Vergangenheit als nicht problematisch betrachtet, spiegelt es doch die Vielfalt im Leib Christi wieder. Jeder hat einen bestimmten Teil der Wahrheit, alle gehören zusammen und ergänzen sich gegenseitig. Jeder sucht sich eben die Gemeinde aus, die zu ihm passt. Und es gibt doch auch „Zielgruppengemeinden“.

Im Grundansatz ist diese Sicht von Gemeinde falsch. „Ist der Christus zerteilt“, fragte Paulus provozierend in 1.Kor. 1,13. Natürlich nicht, wir sollen „Eins“ in Christus sein. Wie kann das gehen, ohne Richtlinien, Glaubensdogmen und Doktrinen, die unser Zusammenleben als Christen regeln. Es mußl doch jede Gemeinde ihre Grundlagen und Reglen, ihre Vision oder Philosophie haben. Jedes Unternehmen braucht das, wird gesagt, also auch die Gemeinde.

Schon im zweiten Jahrhundert hat sich die „Kirche“ ausgestreckt nach weltlichen Methoden um Einheit und Rechtgläubigkeit zu schützen. Aus Angst vor Irrlehren und falschen Dienern wurde schon im dritten Jahrhundert eine Hierarchie von Klerikern aufgebaut und um 200 n. Chr. gab es schon ein ausgeklügeltes Kirchenrecht, um die Interessen einer institutio-nalisierten Kirche und hierarchischen Organisation zu schützen.

Doch die Gemeinde Jesu braucht keinen Schutz durch Gebäudemauern, oder durch menschliche Institution. Sie braucht auch keine durchdachte Organisationstruktur, sie braucht den Schutz Gottes und Seine Gegenwart in ihrer Mitte. Sie braucht den Plan Gottes für ihr geistliches Leben, die von Gott entwickelte DNS für die Gemeinde. Seine unsichtbare Schutzmauer und seine Herrlichkeit genügt. Es soll eine Gemeinde mit einer geistlichen Struktur sein, einer Strukur, die direkt aus dem Himmel kommt, die wir nicht kennen. Gott baut sie alleine, kein Mensch kann sie bauen. Der Leib Jesu ist ein neuer Leib, ein auferstandener, geistlicher Leib und nicht die „Körperschaft einer öffentlich rechtlichen Einrichtung oder Vereins“.
In unserem Fall ist es ein himmlischer Bote, der die Nachricht bringt. Ein besonderer Engel, ein Botschafterengel. Der andere Engel in dem Gesicht war ein „Erklärer und Ausleger“ für den Traum. Aber der zweite Engel brachte die göttliche Offenbarung über die Absichten und Pläne Gottes. Wir brauchen auch eine göttliche Botschaft, eine geistliche Offenbarung über die Gemeinde, sonst verstehen wir Gottes Absichten und Pläne nicht.
„Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ sagte Petrus zu Jesus, und Jesus antwortete ihm, „Glückselig bist du Simon Bar Jona, denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen.“ (Mt.16)
Petrus hat durch die Offenbarung des Vaters den Christus als den wahren Sohn Gottes erkannt und wird dadurch ein Teil im Plan Gottes, der beinhaltet, dass Jesus selbst seine Gemeinde baut. Und er baut sie mit denen, die diese Offenbarung vom Vater erhalten haben. Es ist eine doppelte Offenbarung, einmal über die Identität des Christus und zum anderen über die eigene Identität. Jesus spricht seinem Jünger die zweite Offenbarung zu: „du bist Petrus“(nicht mehr Simon). Jesus baut seine Gemeinde mit Menschen, die den Sohn Gottes wirklich „erkannt“ haben und er führt sie zur Erkenntnis der eigenen Identität. Diese eigene Identität ist der Platz, die Rolle, die wir in Gottes Plan mit und in seiner Gemeinde einnehmen sollen. Mögen wir diese Identität doch bald in unserem Leben von Jesus zugesprochen bekommen, damit wir uns an seinem Gemeindebau richtig beteiligen können. Aus der Offenbarung folgt auch das Maß, sich selbst, die eigene Natur, richtig einschätzen zu können (Röm.12,3), und auf der anderen Seite, das wir auch die Gnade nach dem Maß der Gabe Christi annehmen können (Eph.4,7).
Es geht eben nicht um eine schlaue Theologie und um neue Lehren über Gemeindebau, sondern mehr um die Frage, wie bekommen wir die göttliche Offenbarung über die Gemeinde.
Der Engel brachte in der Vision die göttliche Botschaft, der Heilige Geist wird uns die Offenbarung bringen. Gott selbst wird die Mauer sein und seine Herrlichkeit in ihrer Mitte. Keine Mauer, kein Haus, keine Grenze, keine menschliche Struktur, keine Organisation, sondern ein geistliches Haus, ein Organismus, der Leib Jesu.

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